Kreuzfahrt oder Enkel? Das ist hier die Frage? …ernsthaft???
Wir müssen reden: über Klimawissenschaftsverweigerung.
Kaum jemand würde heute in Deutschland noch behaupten, dass es generell keinen menschengemachten Klimawandel gäbe.
- Die neue, weit verbreitete Rückzugslinie lautet, dass man die Handlungserfordernis zwar sehe, aber nur zu Veränderungen bereit ist, wenn alles so weiter geht wie bisher (?????) – vielleicht auf Basis einer wachstumsbasierten Green Economy.
Sie basiert auf dem Gedanken einer ‚einfachen Entkopplung‘, der relativen Entkopplung zwischen der Menge an Zerstörung und dem BIP-Wachstum. Der Gedanke dahinter: Produzieren wir mittels Innovation und Technologie mit weniger Naturverbrauch nachhaltige Produkte, können wir weiterhin wachsen ohne (übermäßig) zu zerstören – also weiter wie bisher konsumieren1.
Dieser Effizienzgedanke ist m.E. eine Ausrede von Eintagsklimaschützer*innen: Denn das machen wir eigentlich schon seit der Nachkriegszeit: Unsere Produkte werden seither angeblich ständig besser, effizienter, umweltschonender, sparsamer, giftarmer etc. pp. Trotzdem nehmen Zerstörung und CO2-Emissionen immer weiter zu: Ein 50-jähriges Experiment, vollgepumpt mit Rebound-Effekten (vgl. S. 257f.), das uns an den Rand des Kollaps‘ gebracht hat, hat nunmehr als definitiv gescheitert angesehen zu werden.
Zur absoluten Entkopplung ist es trotz aller Verheißungen nie gekommen. Die hätte bedeutet, dass der Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen bei gleichzeitigem Wachstum tatsächlich in absoluten Zahlen geringer geworden wären.
>> vgl. Aspekt Die Mär vom unabdingbaren Wachstumszwang, S. 392f.
Menschen, die Green Growth für bare Münze nehmen, sind m.E. nicht in der Realität angekommen2 und somit de facto Klimawissenschaftsverweiger*innen.
Ihnen ist eigen, dass sie zwar jeder ihrer Ausführungen vorausschicken, dass wir uns in einer menschengemachten (anthropogenen) Klimakrise befinden und sehen, dass „etwas passieren muss“ – aber dann mit jedem ihrer nachfolgenden Sätze ausschließlich die angebliche Unmöglichkeit von Veränderungen betonen.3
Der Begriff ‚Verweiger*innen‘ deutet dabei an, dass die Erkenntnisse der Klimaforschung zwar bis zu einem gewissen Grad gesehen, aber nicht ausreichend ernst genommen werden, sodass die Priorität auf einem ‚Weiter so‘ liegt. (Das sechste Massenaussterben wird derweil i.d.R. komplett unterschlagen.)
Dieses ‚nicht ausreichend ernstnehmen‘ fundierter Wissenschaft ist m.E. wunderlich.
Hans Rosling zu der Verweigerung gegenüber unangenehmen wissenschaftlichen Fakten:
- „[F]ragen Sie sich…: ‚Welche Art von Beweis könnte mich davon überzeugen, meine Meinung zu ändern?‘ Wenn die Antwort lautet ‚Es ist kein Beweis denkbar, der mich von meiner ablehnenden Haltung [z.B.] zur Impfung abbringen könnte‘, dann stellen Sie sich außerhalb der faktengestützten Vernunft, außerhalb des kritischen Denkens, dass Sie ja ursprünglich zu dieser Haltung gebracht hat. In diesem Fall, wenn Sie Ihre skeptische Haltung zur Wissenschaft konsequent beibehalten wollen, sollten Sie das nächste Mal, wenn Ihnen eine Operation bevorsteht, Ihrer Chirurgin sagen, dass sie sich das Händewaschen auch ruhig sparen kann“ (2018, 145).
Also:
- Wir leben den ganzen Tag auf Basis von Wissenschaft. Unser gesamter Lifestyle, unser Essen, unser Smartphone, unsere Zahnkronen, das Internet, die Bremsgurte in unseren Autos – der Fahrstuhl, in den wir ohne zu zögern steigen –, unser Strom für Alles, der beschichtete Milch-Tetra-Pack, ja, auch unser zuverlässig-sauberes Trinkwasser aus dem Wasserhahn – was auch immer: All das existiert heute, so wie es ist, ausschließlich auf der Basis von jüngeren und älteren (natur-)wissenschaftlichen Forschungen.
Und wenn dann die so hilfreiche Wissenschaft auf eine allzu „unbequeme Wahrheit“ (à la Al Gore) aufmerksam macht, dann wird gemauert4.
Dann heißt es „Ich finde xy wichtig und richtig, aber…“
Dazu Bernd Ulrich in der Zeit:
- „[D]ie Abers sind der Schutzwall gegen eine Veränderung, die rhetorisch so bereitwillig begrüßt wird“ (2019a, 1).
Allgemein bevorzugen wir doch das Vorsorgeprinzip, oder?
In diesem Fall nicht: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf…
18 min – TED-Talk The moral roots of liberals and conservatives von 2008 zum Thema „Wie Menschen ticken“, deutsche Untertitel verfügbar, online unter https://www.ted.com/talks/jonathan_haidt_the_moral_roots_of_liberals_and_conservatives (Abrufdatum 23.2.2021)
Liegt die Priorität auf einem ‚Weiter so‘, läuft es gewöhnlich wie folgt:
Jeglicher vorgebrachter Lösungsansatz wird reflexartig mit pauschalen Glaubenssatz5-artigen (Schein-)Argumenten wie
„Arbeitsplätze“ | „Wachstum“ | „Verbote“ | „Verzicht“ | „Die Anderen“ | „Die Chinesen“ | „Was kann ich schon tun“ | „Umweltschutz muss man sich leisten können“6 | „Die Natur des Menschen“ | „Das ist ja Sozialismus“ | „Wenn es nach den Grünen geht, leben wir bald wieder in Baumhäusern“ etc. pp. pp. pp.
abgewatscht:
„Wer etwas will findet Wege – wer nicht will, findet Gründe.“
Nach Albert Camus. Auch dem Gründer von dm, Götz Werner, im Zusammenhang mit dem ‚Bedingungslosen Grundeinkommen‘ (BGE) zugeschrieben.
Die Anführung von Systemzwängen wird ebenfalls gern und oft als Mittel genutzt, um die Unabänderlichkeit der derzeitigen Situation zu untermauern. Dazu hält Niko Paech fest:
- „Systemzwänge werden oft willkürlich vorgeschoben, um die Folgen eigener Handlungen nicht verantworten zu müssen. … Vermeintliche Systemzwänge verhüllen zumeist eine bestimmte ‚Der Zweck heiligt die Mittel‘-Logik. Somit leiten sich die behaupteten Zwänge aus bestimmten Ansprüchen ab. Diese wären aber dahingehend zu reflektieren, wie gerechtfertigt sie gegenüber übergeordneten Interessen sein können“ (Folkers/Paech 2020, 18).
Harald Welzer hebt die Absurdität der angeblichen Alternativlosigkeit hervor:
- „Aber es herrscht kein Krieg in Deutschland, keine Gewaltherrschaft. Es gibt kein Erdbeben, keine Überschwemmung. Kein Hurrikan bedroht unsere Existenz, und trotzdem behaupten die meisten Leute sie hätten keine Wahl“ – und konstatiert: „Das ist eine ziemlich arrogante Mitteilung, wenn man das Privileg hat, in einer freien und reichen Gesellschaft zu leben, aber das fällt nicht weiter auf, wenn alle so etwas sagen“ (2016, 16-17).
Postulierte Alternativlosigkeit ist des Weiteren ein politisches und rhetorisches Mittel zur Durchsetzung der eigenen Agenda.1
… oder es läuft so:
Die/der Klimawissenschaftsverweiger*in serviert etwas als Totschlagargument ohne sachliche Begründung. Eine solche Kostprobe für einen Wähler-anbiedernden unsachlichen Glaubenssatz liefert der ehemalige Bundesumweltminister2 und jetzige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Klimaschutz kann nicht auf Kosten von Wohlstand und Arbeitsplätzen gehen“ (Amann/Traufetter 2019)3 – womit er m.E. ruinös an seinem Nicht-Nachruhm arbeitet.4
Der wahrscheinlich wichtigste Spiegel-Redakteur in Sachen Klimaschutz, Christian Stöcker, konstatiert in diesem Zusammenhang:
- „Bislang besteht Altmaiers Traumziel augenscheinlich aus einer Regulierung, die den Klimawandel stoppt, aber keinerlei strukturelle Veränderungen herbeiführt. Das ist selbst für Kinder als Wunschdenken zu erkennen“ (2019b).
Ich bin der Auffassung, dass einem Bundeswirtschaftsminister Wunschdenken nicht zu steht.
Diese als Wahrheit verkaufte Behauptung kann – da wir hier von einem hochintelligenten belesenen und zudem von einem Beraterteam umgebenen Menschen reden – m.E. nicht anders verstanden werden als eine bewusste Lüge. Die Altmaier’sche Formel ist eine bloße Behauptung, die die „blühenden Landschaften“ eines Helmut Kohl und die „sicheren Renten“ eines Norbert Blühm wie harmlose Bonmots erscheinen lässt: Hier ist davon auszugehen, dass es um eine gezielte Irreführung der Bevölkerung geht, die angesichts der Dimensionen der Klimakrise (bei gleichzeitiger Unterschlagung des sechsten Massenaussterbens) aus meiner Sicht gemeingefährlich ist und die – weil Peter Altmaier eine Äußerung mit potenziell derart weitreichenden Folgen nicht zusteht, m.E. Amtsmissbrauch nahelegt.
- Wobei festzuhalten ist, dass Peter Altmaier damit lediglich in klare Worte fasst, was von den vormaligen Volksparteien zzgl. FDP seit Jahren vehement vertreten wird. Sich selbst und den Bürger*innen nicht die Dimension und Dringlichkeit der Biodiversitäts- und Klimakrise einzugestehen, bedeutet am Ende faktisch nichts anderes als die Verweigerung von wissenschaftlichen Tatsachen und eine Verweigerung von zukunftsgeeigneter Realpolitik.
Letztlich wollten die allermeisten Bürger*innen diese unbequeme Wahrheit bis etwa ‚Ein Jahr seit Greta Thunberg‘ aber auch so gar nicht hören. Und auch jetzt sind es noch viel zu viele.5
Hier haben in den letzten 20, 30 Jahren quasi alle Menschen des Establishment gemeinsame Sache gemacht… – ein unausgesprochenes Abkommen, nicht so genau hinzusehen nach dem Motto:
„Wenn Du nichts sagst, sag‘ ich auch nichts“ –
Eine Art jahrelange Vogel-Strauss-Kopf-in-den-Sand-Laisser-faire-Komplizenschaft des ‚Weiter so‘.
Auf Kosten der jungen Generationen und künftiger Nachfahren sowie des Globalen Südens.
Deswegen ist es auch richtig, wenn die Fridays for Future-Aktivistin Luisa Neubauer im Spiegel feststellt:
„Meine Generation wurde betrogen.“ (Amann/Traufetter 2019)
„Betrogen“ ist angesichts der potenziellen Folgen ein m.E. viel zu vornehmes Wort – Rezo hebt in diesem Zusammenhang in seinem YouTube-Video „Die Zerstörung der CDU“ hervor, dass Eltern und Großeltern doch i.d.R. an ihrem Nachwuchs interessiert sind – er findet, junge Menschen sollten auf ihre (Groß-)Eltern einwirken, um beim Klimaschutz voranzukommen:
- „Denn Eltern und Großeltern ist nichts im Herzen wichtiger als sicherzustellen, dass ihre Kinder und Enkel in einer sicheren Welt leben und kein beschissenes Leben haben“ (2019a, Min 54f.)
Diesen Satz belegt der sonst so beeindruckend gute Quellenarbeit betreibende Rezo nicht.
Rezos unbelegter Annahme widersprechend hält Greta Thunberg 2018 in Kattowice fest:
- „You say you love your children above all else and yet you are stealing their future in front of their very eyes.“
Mein persönlicher Eindruck ist, dass diese Rentner*innen-Generation viel zu sehr mit der Planung der nächsten Kreuzfahrt beschäftigt ist, um sich auch noch über so etwas Gedanken zu machen.
Oder: Die Großeltern sind auf Kreuzfahrt – statt auf dem Kreuzzug zugunsten ihrer Enkel*innen.
Ok, das war jetzt sarkastisch und pauschalisierend.
Zweifellos richtig ist:
Faktisch handelt es sich es beim derzeitigen Klima-Versagen von deutschen Politiker*innen und von uns Erwachsenen um die
Einseitige Kündigung des Generationenvertrages
Dieser war/ist dem Mensch-sein seit Jahrtausenden zutiefst eingeschrieben und besagt(e) sinngemäß:
- Die Altvorderen kämpfen dafür, dass es den Kindern und Enkel*innen einmal besser gehen wird als ihnen;
- Die Kinder der Altvorderen bezahlen (heute) via Sozialsystem indirekt die Rente der Alten und unterstützen Eltern und Großeltern im Alter bei der Bewältigung des Alltags.
Stattdessen demontiert die Politik – m.E. Grundgesetz-widrig, vgl.
- GG Art. 2 „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“
- GG Art. 20a „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere“1
die Lebensgrundlagen der jungen und der kommenden Generationen („Recht auf Zukunft“).
Und, im Ernst, wir sog. Erwachsenen machen kollektiv mit, nach dem Motto:
„Urlaub war uns wichtiger als eure Zukunft, sorry.“
… und reden uns die Welt schön.
>> vgl. Baumann 2017, s.a. den m.E. beeindruckenden, 6-minütigen Videoclip von Prince Ea: „Dear Future Generations: Sorry“, online unter https://www.youtube.com/watch?v=eRLJscAlk1M (Abrufdatum 20.6.2020)
Und so könnte die Aussage weitergehen:
„Urlaub war uns nicht nur wichtiger als unsere Enkel*innen – wir haben uns den Flug-Kreuzfahrt-Malediven-3xMalle-Urlaub sowie den gesamten alltäglichen Luxus-Überfluss nach Meinung vieler ach so hart arbeitender Bundesbürger*innen auch wirklich verdient.“
- Das möchte ich explizit in Frage stellen – ausdrücklich mit Ausnahme der Menschen in Deutschland, die in Pflegeberufen und/oder im Niedriglohnsektor tätig sind, alleinerziehend durch alle Raster fallen und/oder mehr oder weniger Vollzeit arbeiten und trotzdem Hartz-IV-Aufstocker*innen sein müssen.
Für alle Anderen gilt meines Erachtens:
Egal, was und wie viel wir arbeiten, wir Erste-Welt-Schnösel, wir arbeiten nicht hart. Das können wir komplett vergessen. Der Minenarbeiter im Congo, der arbeitet hart. Er riskiert Kopf und Kragen – damit seine Kinder heute, nach drei Tagen, mal wieder etwas zu essen bekommen. Er arbeitet hart für die ‚seltenen Erden‘ Ihres Smartphones, ebenso wie der arme Mensch, der in Asien unser Smartphone unter sklavenähnlichen Bedingungen zusammenschraubt und seine Familie seit einem 3/4 Jahr nicht gesehen hat – wir haben mutmaßlich nur im Büro gesessen, einige E-Mails verzapft, uns ’ne Currywurst reingepfiffen und auf ein paar Sitzungen rumgegähnt.
Und falls Sie, werte*r Leser*in, darüber hinaus zu den wirklichen Spitzenverdienern gehören und sich immer noch einbilden, dass Sie verdient haben, was Sie monatlich aufs Konto überwiesen bekommen: Vergessen Sie auch das – Ihr Gehalt steht definitiv in keinem Verhältnis zu Ihrer Leistung: Niemand ist in der Lage, einen Arbeitsgegenwert von, sagen wir, +80.000 Euro jährlich zu erbringen.
Warum Sie trotzdem so viel ‚verdienen‘? Nun, ich vermute: Es ist Schmerzensgeld. Wie geht es Ihnen wirklich?
Ich nehme des Weiteren wahr, dass viele Menschen auf ihre Rente hin leben. So manche*r Arbeitnehmer*in fängt schon Jahre vor Renteneintritt an, die Tage im Kalender Tag für Tag abzustreichen und macht nur noch DnV (‚Dienst nach Vorschrift‘). Edgar Reitz legt Otto Wohleben in seinem Sechzehnstundenfilm „Heimat“ (1984) die Worte in den Mund „Zeittotschlagen ist Mord“. Nun kann man sich Gedanken machen, wie es um Deutschlands Arbeitswelt bestellt ist, wenn Menschen nichts lieber wollen, als ihr zu entfliehen. Viele Menschen verschieben also ihr Leben ‚auf später‘ – z.B. auf die Zeit der Rente. Und dann soll es losgehen, man hat es sich schließlich mindestens psychologisch hart erarbeitet und lange drauf gewartet. Aus diesem mühsam errungenen Renteneintritt wird nun latent ein Respekt für die Lebensleistung erwartet und daneben unausgesprochen (Gewohnheits-)Rechte abgeleitet, in Form eines „Etabliertenrechts“, dass sich häufig darin äußert nun das Recht zu haben die Welt zu bereisen.
Pardon, es gibt kein Etabliertenrecht. Wohl aber die Pflicht gegenüber den Nachkommen, den Planeten so zu hinterlassen, wie man ihn vorgefunden hat.
PS:
Pflegeberufe sind in Deutschland aufgrund extrem mieser Arbeitsbedingungen, völlig unangebrachter Niedriglohn-Bezahlung sowie mangels gesellschaftlicher Anerkennung wirklich harte Arbeit.
Ich vertrete die Auffassung, dass die (finanzielle) Wertigkeit von Berufen um 180° auf den Kopf zu stellen ist. Wir brauchen z.B. mehr hochqualifiziertes und daher auch: gut bezahltes Personal u.a. in Erzieherberufen, denn ihre Arbeit trägt maßgeblich zu unserer Zukunft und Innovationsfähigkeit bei.
Und ich bin mir sicher, dass wir – bezogen auf ‚grenzenlose‘ Spitzenverdiener*innen –, keinem Menschen der Welt einen Gefallen tun, wenn sie/er ein (eigentlich) nicht-ausgebbares Gehalt erhält. Damit hält sie/er einfach zu viel Macht in ihren/seinen Händen, Macht, mit der die Meisten m.E. nicht umgehen können.
„Corona-Update März 2020“:
Geradezu grotesk erscheint, welche Berufe sich nunmehr als allgemein anerkannt „systemrelevant“ herausstellen. Schön drückt es der Anthropologe, Kapitalismuskritiker und Autor des Buches ‚Bullshit Jobs‘ David Graeber aus:
„Hier in Großbritannien hat die Regierung eine Liste zusammengestellt mit den systemrelevanten Berufen – wer in denen arbeitet, darf weiterhin seine Kinder in die Schule schicken, wo sie betreut werden. Die Liste besticht durch die erstaunliche Abwesenheit von Unternehmensberatern und Hedgefondsmanagern! Die, die am meisten verdienen, tauchen da nicht auf. Grundsätzlich gilt die Regel: Je nützlicher ein Job, desto schlechter ist er bezahlt. Eine Ausnahme sind natürlich Ärzte“ (2020).
Mit der Wahrnehmung der Aufkündigung des Generationsvertrages stehe ich keineswegs alleine da, sodass Bürger*innen, Wissenschaftler*innen und Prominente im Jahre 2013 das Generationen-Manifest ins Leben gerufen und unterzeichnet haben. Sie fordern in zehn Punkten z.B. die Abwendung der Klimakrise, die Einführung des Verursacherprinzips, ein Mehr an Gerechtigkeit im Allgemeinen und die Aufnahme von Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz im Besonderen (vgl. Lesch/Kamphausen 2018, 347f.).
>> Es kann weiterhin unterzeichnet werden: https://www.generationenmanifest.de (Abrufdatum 27.5.2020)
Der Scientists for Future-Mitbegründer Gregor Hagedorn sieht ebenfalls einen großen Mangel an Generationengerechtigkeit:
- „[L]eider haben wir den Großteil unseres jetzigen Luxus eben nicht selbst erarbeitet. Sondern wir plündern die Konten unserer Kinder“ (2020, 11).
Und, im Bild zu bleiben: Und wir haben auch noch zusätzlich Kredite in nicht zu beziffernder Höhe bei den Menschen des Globalen Südens und deren Nachfahren aufgenommen – und bestimmen die Spielregeln in einer Art, die es so aussehen lässt, als ob die Länder des Globalen Süden hochverschuldet wären. Sind sie das?
Drastisch – aber ich fürchte, ohne Übertreibung – kann man diese Form des Lebens auf Kosten der Zukunft als diskriminierenden Generationen-Imperialismus bezeichnen, was letztlich folgendes umschreibt: Die gegenwärtig lebenden Entscheider*innen-Generationen führen einen Krieg gegen absolut wehrlose Menschen, die unsere eigenen Nachkommen sind.
In diesem Sinne auch Harald Welzer:
- Die „Privilegiensicherung … [ist zum] einzigen Inhalt [von Politik] geworden. Man kann das als Diktatur der Gegenwart auf Kosten der Zukunft bezeichnen“ (2016, 131).
Das alles ist schon erstaunlich, was da derzeit passiert, denn an sich hat Rezo ja bezogen auf die vorherigen Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende durchaus recht: Dieser Generationenvertrag ist eigentlich quasi so alt wie die Menschheit und hat immer gegolten – bis jetzt:
- „[E]iner der wichtigsten Sinngeber [für Menschen ist,] die sogenannte Generativität[, also] … das Bemühen,… etwas an andere Generationen weiterzugeben und zum ‚großen Ganzen‘ beizutragen“ (Schnabel 2018, 192).2
Da ist schon die folgende Frage aufzuwerfen:
- Was ist heute so anders, dass ein, zwei Elterngenerationen kollektiv die eigenen Kinder und Nachkommen im Stich lassen?
In den 80ern gingen Diejenigen, die darüber gelesen hatten, davon aus, Erderwärmung sei etwas, womit eventuell mal späte Nachfahren umzugehen hätten. Wir bekämpften den sauren Regen.
In den 1990ern dachten Wir, Klimawandel ist etwas Theoretisches, dass am fernen Horizont wohl unsere Urenkel treffen könnte. Wir kauften FCKW-freie Kühlschränke, tanzten durch die Nacht und stiegen ins Flugzeug nach Mallorca.
In den Nuller Jahren flogen die Meisten nach Asien, Mallorca und Ägypten.
In der ersten Hälfte der 2010er Jahre erfassten Viele von uns, dass der Klimawandel tatsächlich menschengemacht ist und unsere Enkel betreffen wird. Zugunsten unserer Kinder schrieben wir die ’schwarze Null‘, kauften Biogemüse und zeigten ihnen das Great Barrier Reef.
In der zweiten Hälfte desselben Jahrzehnts wurde Manchen klar, dass die Klimakrise unsere Kinder betrifft. Wir forderten eine Enkeltaugliche Politik – und unternahmen… einiges, z.B. Zubringerflüge in die Südsee, um von dort aus auf Kreuzfahrt zu gehen.
Jetzt, um das Jahr 2022, lassen zu Wenige von uns die Erkenntnis zu, dass die Doppelkrise ‚Klima/Massenaussterben‘ uns selbst trifft und gemeinsam mit uns auch unsere Kinder, Enkel*innen, Urenkel*innen und alle weiteren Nachfahren. Wir verbieten erfolgreich Plastiktüten und Ohrstäbchen, wir steigen in unseren SUV und wir fordern z u g u n s t e n u n s e r e r G e n e r a t i o n – als Grundvoraussetzung für Vorgespräche über mögliche Verhandlungen zu weiterem Arten- und Klimaschutz – die unabdingbare ‚Sozialverträglichkeit‘ aller künftig eventuell einzuführenden Minimalreformen. Denn, und das wird ja noch mal sagen dürfen: Ohne Generationengerechtigkeit kann es keinen Klimaschutz geben.
Luisa Neubauer – deren Satz, dass ihre Generation betrogen wurde, ich vor einigen Seiten als zu vornehm ausgedrückt empfunden habe – legt in ihrem mit Alexander Repenning verfassten Buch noch einmal nach:
- „Wir sollten … [unseren Eltern und deren Generationsgenoss*innen] erklären, dass sie nicht gut genug auf die Welt aufgepasst haben, ihnen deutlich machen, dass ihre Hoffnung, es werde ihren Kindern besser gehen als ihnen selbst, zerplatzen wird, wenn sie nicht Teil eines radikalen Wandels werden. Sie müssen verstehen, dass sie uns ins offene Messer laufen lassen, wenn sie jetzt nicht aufwachen“ (2019, 33).
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Exkurs „[ü]ber die sinkende Bereitschaft, Tatsachen noch von Meinungen zu unterscheiden“ (Haaf 2020, 55) Definitionen Klimawissenschaftsverweigerer*in & Co:
>Leugner*in – keine Ausführungen erforderlich.
>Verweiger*in – akzeptiert wissenschaftliche Befunde, argumentiert oberflächlich, dass Handlungserfordernis besteht, akzeptiert keinen Vorschlag oder Lösungsansatz als geeignet, ist nicht bereit Einschränkungen hinzunehmen – verweigert sich also im Ergebnis am Ende doch, Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ziehen.
>Relativierer*in – betreibt eine mildere Form von Verweigerung; lässt sich jedoch nicht auf die ganze Wahrheit ein.
Wie hoch mag der Anteil der Deutschen sein, die die wissenschaftlichen Befunde vorbehaltlos akzeptieren und aktiv eine Lösung der Krise anstreben?
Denn daneben gibt es noch die
> Fatalist*in bzw. Evolutionist*in – sie geben die Menschheit verloren – Manche finden das schlimm, Andere zucken mit den Schultern – bis hin zu der Position der Antinatalist*innen, die lieber nicht geboren wären bzw. das mögliche Aussterben der Menschheit begrüßen.
Wer diese Position ernsthaft vertritt: Ok.
Aber ich denke, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die sich hinter dieser „Evolutions“-Position verstecken, weil sie bequem sein kann, psychologisch entlastend wirkt und ggf. zügellosen Hedonismus ermöglicht.
Und das finde ich für meinen Teil nicht komisch, insbesondere dann, wenn diese Position von Eltern oder Großeltern vertreten wird: Wer Kinder in die Welt gesetzt hat, hat – im Rahmen ihrer/seiner persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten – für sie einzustehen.
> Und dann gibt es noch Menschen, die sich – insbesondere im rechten Spektrum – aus der Gesellschaft zurückziehen und sich auf die Klimakatastrophe vorbereiten, sog. Preppers, siehe dazu: Grassegger, Hannes (2019): „Von der Klima-Angst radikalisiert“, online unter
https://mobile2.12app.ch/articles/20641537 (Abrufdatum 25.7.2019)
Dreams are my reality / The only kind of real fantasy / Illusions are a common thing / I try to live in dreams / It seems as if it’s meant to be.
(Aus „La Boum“ (1980) – dem Film der Susi-Sorglos-Generation)
Ausreden, Ablenkungsmanöver und Ersatzdebatten: Die Zeit des ‚Aberns‘ ist vorbei
„Es ist eine Basisregel der Konfliktkommunikation, dass alles, was vor einem ‚aber‘ gesagt wird, nicht ernst gemeint ist.“
Michael Hengstenberg, 2019
Auch wenn es auch heute noch viele Klimawissenschaftsverweiger*innen gibt, so ist doch festzustellen, dass weit mehr Menschen eine etwas mildere Form der Klimawissenschaftsverweigerung betreiben und somit als ‚Klimakrisen-Relativierer*innen‘ zu bezeichnen sind:
Meines Erachtens sind in weiten Teilen der Bevölkerung bzgl. der Dringlichkeit und Dimension der Klimakrise ständig präsent und äußerst beliebt Ausreden und vor allem Ablenkungsmanöver in Form von Ersatzdebatten, beispielsweise:
- Das einseitige Festklammern an einer Diskussion über vermeintliches Schulschwänzen (Ende 2018 bis ca. Frühjahr 2019):
- Hier handelt es sich angesichts der dringenden Handlungserfordernisse schlicht um Notwehr und um zivilen Ungehorsam, die/der angesichts der vollkommen absurden Verweigerung der Regierung absolut gerechtfertigt ist.
- (Selbst wenn diese Sachverhalte so nicht exakt im BGB etc. festgeschrieben sein werden: Die Biodiversitäts- und Klimakrise ist eine so noch nie dagewesene Bedrohung, die logischerweise auch ggf. neue juristische Sachverhalte schafft.)
Auch Harald Lesch verlautbarte bei Anne Will,
„dass die Demonstrationen [von Fridays for Future & Co] noch viel intensiver werden müssen“ – die Schulpflicht hält er in dem Zusammenhang im Vergleich zu der Bedrohung die der Klimawandel „für unerheblich“ (Anne Will 2019).
- Das (seit langem beliebte) starre, beharrende Verweisen auf die (inhaltlich natürlich nicht falsche) Vielfliegerei von Jugendlichen:
- Hier geht es in erster Linie um das Zeigen mit dem Finger auf andere, besonders dann, wenn sie sich nicht so edel verhalten, wie das ihre Kritiker*innen ‚erwarten‘. Die eigene Nase wird dabei lieber nicht angefasst (vgl. ‚Argumentum ad hominem‘ S. 19 u. 213).
Im Übrigen sind diese Jugendlichen von der Generation, die ihr das vorwirft, erzogen worden – und möglicherweise wird die Vielfliegerei auch gar nicht so selten von den Eltern finanziert (oder die Kinder/Jugendlichen ‚müssen‘ mit in die Ferien)?
- Hier geht es in erster Linie um das Zeigen mit dem Finger auf andere, besonders dann, wenn sie sich nicht so edel verhalten, wie das ihre Kritiker*innen ‚erwarten‘. Die eigene Nase wird dabei lieber nicht angefasst (vgl. ‚Argumentum ad hominem‘ S. 19 u. 213).
Und, wenn man es sich mal genauer überlegt, wie pervers ist das denn? – Wir, bzw. viele von uns ‚Alten‘, hauen seit Jahrzehnten mit unserem Verhalten den jungen Menschen gerade die Welt komplett unter dem Hintern weg – und hinterlassen dabei Scherben, Scherben, Scherben – und sagen den jungen Menschen auf den Kopf zu, dass sie gefälligst keine Forderungen zu stellen haben, weil sie sich selbst nicht perfekt verhalten, Fleisch essen und auch mal geflogen sind? Das kehrt die Verhältnisse komplett um! (vgl. Pollmer 2022).
- Die unangenehme Überbetonung der Frage des Umgangs mit Flüchtenden seit einigen Jahren im Allgemeinen und namentlich durch Bundesinnenminister Horst Seehofer im Herbst 2018 im Besonderen:
- Hier steht die politische und mediale Ausreizung dieses Themas in keinem Verhältnis zu den Fakten und deren Bedeutung – daher hat die Frage zu lauten: Worum geht es hier eigentlich?
- Wer Themen setzt, sorgt auch dafür, dass andere Themen unterrepräsentiert bleiben, d.h. …
- Hier steht die politische und mediale Ausreizung dieses Themas in keinem Verhältnis zu den Fakten und deren Bedeutung – daher hat die Frage zu lauten: Worum geht es hier eigentlich?
- Auch das Verharmlosen bzw. Nicht-Setzen eines Themas kann ein Ablenkungsmanöver sein:
- Der Bundestagswahlkampf 2017 zeichnete sich massiv dadurch aus, dass
ständig vor ‚Populismus‘ gewarnt wurde und die wirklich relevanten Themen nicht benannt wurden:
Die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, Marlene Weiß, stellt hier die Frage, wie man das nennt, „was die meisten Parteien im [2017er] Wahlkampf beim Klima treiben?“ (2017)
Ihre Antwort:
„Dramatisierung kann man ihnen [, d.h. den Parteien,] nicht vorwerfen, im Gegenteil. Die größte globale Bedrohung wird einfach fast gar nicht erwähnt. Und wenn doch, dann so, dass es garantiert niemandem weh tut. Es ist ein Populismus, der die Gunst der Massen im Schweigen sucht… Wer sich davor um der Gunst der Massen willen drückt, der ist, so lange es kein besseres Wort dafür gibt, ein Populist der Verharmlosung“ (ebd.).
- Der Bundestagswahlkampf 2017 zeichnete sich massiv dadurch aus, dass
Politiker denken an die nächste Wahl, Staatsmänner an die nächste Generation.
James F. Clarke (zit. nach Klimaschutz Baustelle)
Auch das Bonmot von den Verboten, der alten Fratze ‚Verbotspartei‘, der angeblich heraufdämmernden ‚Ökodiktatur‘ und der vermeintlich bedrohten Freiheit – insbesondere in Form der angeblich existierenden und zu verteidigenden FreienFahrtFürFreieBürger sind: Ersatzdebatten.
(FreieFahrtFürFreieBürgerinnen fordert übrigens niemand!)
‚Verbotspartei‘:
- Werte*r Leser*in, ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die Union sich nur und ausschließlich in dem Fall auf die Rechte des ‚Kleinen Mannes‘ (und für die ‚kleine Frau‘?) beruft, wenn gleichzeitig auch der Überfluss-Wohlstand des ‚großen Mannes‘ betroffen ist? Wenn also behauptet wird, dass eine Kerosinsteuer nicht möglich sei, weil dann die Bäckereiangestellte nicht mehr in den jährlichen Mallorca-Urlaub fliegen könne? Um die Bewahrung wessen Privilegs geht es hier eigentlich?
Robert Pausch sieht das ähnlich und nennt in der Zeit einige Beispiele für eine eher die ‚Ottilie Normalverbraucherin‘ weniger fokussierende Politik der letzten Monate vor dem Hochkochen der Verbote-Diskussion im Herbst 2019:
- „[I]m ökonomischen Normalbetrieb lässt sich nicht so recht behaupten, dass die kleinen oder auch nur die mittelgroßen Leute das Ziel jener Kräfte wären, die sich ihnen nun so verbunden fühlen. Als die Paketboten für bessere Arbeitsbedingungen stritten, hieß es aus der CDU, jetzt sei ‚nicht die Zeit für neue Belastungen für die Wirtschaft‘. Ein höherer Mindestlohn war natürlich eine ‚Gefahr für den Wirtschaftsstandort‘. Und als in Berlin der Protest gegen die steigenden Mieten lauter wurde, reagierte die FDP mit der Forderung, das Grundgesetz zu ändern, um den ‚Respekt vor dem Eigentum‘ zu stärken. Das alles ist weder verwunderlich noch verwerflich. Es ist bloß ein bisschen erstaunlich wie sehr die bürgerlichen Kräfte ihrer Bürgerlichkeit entfliehen wollen, wenn es nicht um die Wirtschaft, sondern um die Umwelt geht“ (2019, 3).
Niko Paech macht dazu eine weitere Beobachtung:
- „Um zu vermeiden, dass dieser Wohlstandsvorbehalt primitiv oder eigennützig erscheinen könnte, wurde und wird der schöngeistige Anspruch vorgeschoben, Nachhaltigkeit dürfe sich nicht zulasten der sozial Schwachen oder gar ‚Armen‘ auswirken“ (Folkers/Paech 2020, 121).
Und:
„Indes scheint das materielle Niveau, dessen Unterschreitung mit Armut gleichgesetzt wird, in Deutschland wöchentlich zu wachsen“ (ebd.).
Also, warum also jetzt? Warum erinnern sich – vor allem – Union und FDP ausgerechnet jetzt an Ottilie Normalverbraucherin?
- Geht es wirklich um die Menschen mit nicht so hohen Einkommen?
- Oder nicht doch eher um die Verteidigung des Status quo, der alten (fossilen) Industrien, der Merz’schen Aktionär*innen, der ‚oberen Zehntausend‘ – ergo: um die Profiteure des fossilen Zeitalters?
‚Ökodiktatur‘:
- Eine ‚Ökodiktatur‘ könnte in der Tat kommen. Aber nicht wegen ein paar Leitplanken, einem Tempolimit oder Beschränkungen des HöherSchnellerWeiter. Eine Ökodiktatur droht dann, wenn die ökologischen Verhältnisse, die klimabedingten Katastrophen, Missernten, Versorgungsengpässe und die dadurch entstehenden Proteste Demokratie und Rechtsstaat verunmöglichen. Daher dient Klimaschutz definitiv der Bewahrung und Pflege der Demokratie.
Das sieht auch Bernd Ulrich so:
- „Wenn es irgendwann einen grün gefärbten Notstandsstaat geben sollte, dann, weil die Klimakrise so dramatisch geworden ist, dass sie anders nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden kann. Die Ökodiktatur verdankte sich dann nicht einem politischen Sieg der Ökologen, sondern deren Niederlagen und dem aggressiven Attentismus ihrer Kritiker, nicht aus ökologischer Ideologie, sondern aus ökologischen Unterlassungen“ (2019b).
>> Attentismus = von Opportunismus bestimmte, abwartende Haltung
Sehr schön bemerkt dazu Carolin Emcke in der Süddeutschen Zeitung über den freiheitspredigenden Liberalismus, d.h. vor allem über die FDP:
- „Anstatt eine realistische Einschätzung der Klimakrise zu gewinnen, wird deren Dramatik wegmoderiert, um denen, die dringende, komplexe Reformen fordern, unrealistische, unterkomplexe Panikmache zu unterstellen. Anstatt nüchtern die Klimafolgenforschung zu analysieren und nach geeigneten politischen Instrumenten zu suchen, werden die Möglichkeiten des gesellschaftlichen Lernens, der diskursiven Vermittlung notwendiger Veränderung ideologisiert als ‚Umerziehung‘. Das Erstaunlichste ist vielleicht, wie der gegenwärtige politische Liberalismus mit einem Repertoire an populistischen Trigger-Begriffen wie ‚Verbot‘, ‚Askese‘ und ‚Verzicht‘ das eigene Reflektionsdefizit zu maskieren sucht“ (Emcke 2019).
Ich möchte dazu anmerken, dass ich weniger erstaunt bin als die Redakteurin Emcke. Ein simpler, aber wesentliche Beweggrund so zu handeln ist wenig erstaunlich und in ein Wort zu fassen: Es geht hier neben kurzfristigem Denken m.E. vor allem um: Geld.
Etwa fantastisch mutet derweil an, dass – in den Worten von Michael Kopatz auf dem Ersten Hamburger Klimagipfel – heutzutage schon „die Vermeidung von Expansion als Verzicht diskutiert“ wird (20.1.2020, vgl. S. 284).
Die Taktik der ‚Freiheitskämpfer*innen‘ vornehmlich der CDU/CSU und FDP betont also die/den mündigen Bürger*in, der/dem man möglichst wenig vorschreiben sollte.
Das neoliberale Modell von der allumfassenden Deregulierung im Zeichen der Freiheit von Menschen und Märkten wird ganz bestimmt regeln, das wir
> zugunsten unserer Informationsgesellschaft künftig eine bessere Bildung in Kindergärten, Schulen und Universitäten bekommen,
> es keine Armut mehr gibt auf der Welt, unsere Gesellschaft aus lauter zufriedenen Arbeitnehmer*innen besteht,
> wir alle bezahlbaren Wohnraum in den Städten finden,
> wir gesündere Dinge auf den Teller bekommen statt fettiger Billig-Fertignahrung,
> alle Kindergärten in Deutschland endlich am tatsächlichen pädagogischen Bedarf orientiert ausreichend Erzieher*innen einstellen,
> fossile Lobbyist*innen sich gleichermaßen edelmütig und uneigennützig für das Klima einsetzen,
> die Renten steigen und
> in politisch brisanten Gegenden der Welt mehr Wohlstand, Gerechtigkeit und demokratische Rechtssicherheit einkehren.
Es ist prinzipiell ja sicher auch nicht falsch, möglichst wenig vorschreiben zu wollen, verkennt aber, dass hier eine merkwürdige i.d.R. männlich-gewohnheitsrechtliche ‚Freiheit‘ als Ausrede in Anspruch genommen wird, die so gar nicht existiert – und von der wohl auch kaum jemand möchte, dass es sie wirklich gibt.
Festzuhalten ist, dass die Gesetze, Regeln, Verordnungen und Richtlinien Deutschlands ganze Wandschränke füllen:
- Wir leben in einem äußerst regulierten Staat – und das ist – von der ausufernden Steuererklärung mal abgesehen – i.d.R. auch gut so. Das sind schlicht gesellschaftliche Vereinbarungen. Ob nun dazu noch ein paar Gesetze hinzukommen oder nicht, macht den Kohl nicht fett und rechtfertigt erst einmal nicht diese Aufschreie, wie wir sie beinahe täglich zu hören bekommen.
Mely Kiyak konstatiert dazu in der Zeit:
- „Ja klar, Verbote. Was denn sonst? Es braucht nicht weniger Regulierung, sondern mehr. …Und bei Grenzübertritt fette Strafzahlungen. Geld ist die einzige Sprache, die Konzerne verstehen. Wenn man Herstellern nicht verbietet, ihren chemischen Schrottzucker in süchtig machende Lebensmittel zu kippen, wird sich nichts ändern… Freiheit nennen es jene Politiker, denen das Wohl der Agrarindustrie – nur ein Beispiel – näher ist als das Wohl der Wähler. Wie lächerlich. Was ist denn der Staat? Wann genau fing das eigentlich an, dass das Verbieten tabuisiert wurde? Kann es sein, dass die am Diskurs beteiligten gar nicht merken, dass der Staat auf dem Fundament von Verboten steht?“ (Kiyak 2019).
Es ist letztlich ein Schrei derjenigen, die das im Weltmaßstab ungeheuer hohe Maß ihrer Freiheit nicht zu schätzen wissen, wie Hatice Akyün ausführt:
- „Wer glaubt, dass Rasen etwas mit Freiheit zu tun hat, sollte sich mal mit Menschen aus Nordkorea und Afghanistan unterhalten, um zu erfahren, was Freiheit für einen Menschen wirklich einschränkt. Ein Tempolimit gehört sicher nicht dazu“ (2019).
Rezo antwortet auf die Frage, ob er lieber ‚dafür‘ oder ‚dagegen‘ sei mit dem Hinweis:
- „Das eine impliziert doch immer das andere. Ist nur Wording und Perspektive. Genau wie jedes ‚Verbot‘ auch als ‚Recht‘ und jede ‚Einschränkung‘ als Freiheit umformuliert werden kann. So was sind immer nur Framing1-Diskussionen, die vom eigentlichen Thema ablenken wollen“ (2019b, 9): Was in den Augen von Raucher*innen/Raser*innen ein Verbot ist, vermag in der Perspektive von Nicht-Raucher*innen/Fußgänger*innen ein Schutzrecht zu sein, welches darüber hinaus Sicherheit oder Freiheit bietet.
„[D]er Staat ist nicht immer der, der Freiheiten beschneidet, sehr oft ermöglicht er sie erst“ (Göpel 2020, 155). Maja Göpel sieht es so: Harald Welzer findet, dass „wir viel offensiver [über Verbote] reden müssen. Ohne stabiles Ordnungsrecht würde unserer Gesellschaft nicht funktionieren. Es garantiert unsere Freiheit, man denke nur an das Schusswaffen- und Rauchverbot. Für mich ist klar, dass die Menschen erfahren müssen, was auf sie zukommt – aber eben mit der Betonung auf Zugewinn an Freiheit und Lebensqualität. Dafür braucht es einen Perspektivwechsel“ (2020, 10). Und die Transformationsforscherin Maja Göpel entlarvt die Verbotsdebatte ein weiteres Mal souverän mit den Worten: Übrigens: Folkers ergänzt: Der Spiegel beobachtet in diesem Zusammenhang: In diesem Sinne fügt Niko Paech hinzu: Die Klimakrise ohne Ordnungsrecht und Verbote lösen zu wollen, d.h. ausschließlich auf Vernunft, Anreize und den freiwilligen ‚Verzicht‘ von Bürger*innen zu setzen ist m.E.: weltfremd.1 Exkurs zum Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ Die allgemein anerkannte Definition des Begriffes aus dem sog. Brundtland Report1 von 1987: In einfacheren Worten drückt es Harald Welzer aus: Diese Definition hat mit dem Manager-Gewäsch (à la Green Washing) nichts, aber auch gar nichts zu tun. Wer in seinem Forst nicht nachhaltig wirtschaftet, in dessen Wald wird sich etwas ändern. Ob er das will oder nicht“ (2020, 157-158). Und diese Veränderung wäre dann zu begleiten: By design or by disaster. Es steht m.E. zu befürchten, dass der nächste wie ein Hundeknochen zerkaute Begriff das Wort ‚Transformation‘ sein wird. Der Begriff ist ernstgenommen und wie er derzeit noch von Befürworter*innen einer sozial-ökologischen Transformation verwendet wird einfach zu explosiv, um nicht durch Vereinnahmung durch die ‚Weiter So’s‘ entschärft zu werden. Zurück zu den Ablenkungsmanövern. Sonst drohten Zustände wie im Frankreich der Gelbwesten. Hier wird also eine Trivialität zur Message aufgeblasen, die letztlich unterstellt, es gäbe in der (linken) Politik Politiker*innen, die den sozialen Aspekt nicht sehen. Tatsächlich besitzt das Wort ‚Sozialverträglichkeit‘ derzeit in Deutschland nach meiner Wahrnehmung einen Subtext, der da heißt „das Wohlstandsniveau halten‘ oder auch „keine Antastung des Lebensstils“ – was ein physikalisches Wunder erfordern würde (vgl. Folkers/Paech 2020, 195) – ergo lautet dieser Subtext faktisch: ‚Weiter so‘. Vielleicht ist das ja auch alles ein großes Missverständnis. M.E. bedeutet Sozialverträglichkeit, dass wir Reformen in der Form vornehmen, dass die jungen Menschen und künftigen Generationen in Sinne der Generationengerechtigkeit nicht in den sozialen Absturz getrieben werden. Um soziale Härten zu vermeiden bietet es sich an, als Gesellschaft gemeinsam unseren Lebensstil grundlegend zu überdenken und die große (vor allem finanzielle) Ungleichheit in Deutschland zugunsten einer weitgehenden, Steuer-ermöglichten Angleichung der Lebensverhältnisse zu reformieren. Zu letzterem Punkt schreibt Bernd Ulrich in der Zeit: Von einem solchen, großen Gesellschaftsprojekt, mit dem wir die alten Ungleichheiten gleichsam parallel zum Biodiversitäts- und Klimaschutz loswerden, spricht zurzeit rechts der Grünen niemand. Seit einigen Jahren sind solche Fragen endlich gut und präzise zu beantworten, u.z. durch das neue wissenschaftliche Fachgebiet namens ‚Event Attribution Science‘: die ‚Attributions-Wissenschaft‘ oder auch ‚Zuordnungsforschung‘. Die Biodiversitäts- und Klimakrisen-Wahrheit, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verschweigt: „Es wie bei vielen Krankheiten: Je länger man wartet, desto unangenehmer wird die Therapie.“ >> Martin Kolmar, Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen – über die Erfordernis möglichst schnell umfassend zu handeln (2019). Zurück zur handfesten Klimawissenschaftsleugnung (vgl. S. 221): Dies ist eine Einstellung, mit der man sich heute ins Abseits stellt. Daher empfehle ich umgehenden Aufmerksamkeitsentzug und sofortige Rückkehr zum eigentlichen Thema z.B. der Party-Diskussion: Fazit des Abschnitts Eine neue Rückzugslinie: Klimawissenschaftsverweiger*innen – die immer gleichen ‚Argumente‘ Aber… Kein aber. Lieber Aberer*innen, die Zeit des ‚aberns‘ ist vorbei. ‚Aber‘ gilt nicht mehr. Für ‚Aber‘ haben wir keine Zeit mehr. Maybe my foolishness is past / And maybe now at last / I’ll see how the real thing can be. Wir brauchen „die kulturell bisher einmalige Leistung, … [auf die Klimakrise und das sechste Massenaussterben] nicht reaktionär, sondern progressiv zu reagieren. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.“ (Luthmann 2019) Eine Wahnsinns-Idee. Technologiegläubigkeit: Ein Konservatismus der besonderen Art Unter denjenigen, die die Klimakrise, das sechste Massenaussterben, die Endlichkeit der Ressourcen und allgemein die Grenzen des Wachstums, nicht wirklich ‚auf der Pfanne‘ haben, gibt es Menschen, die alles beim Alten lassen möchten (und/oder noch gerne etwas länger mit fossilen Energieträgern Dollar, Dollar, Dollar verdienen möchten) – und die zu diesem Zweck tief und irreversibel in die Chemie und Physik des Systems ‚Erde‘ eingreifen würden: per Geo-Engineering. Da bliebe: Nichts beim Alten. Bei den Daniel-Düsentrieb-Geschichten in den ‚Micky Mäusen‘ hat so etwas auch immer funktioniert. nächster Abschnitt:
Markus C. Schulte von Drach spannt einen größeren Bogen:
Neubauer/Repenning drehen – zu Recht – die althergebrachte Argumentation um:
„Verzichten heißt in reichen Ländern… eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als darauf zu verzichten, den Planeten zu ruinieren“ (Göpel 2020b, 127).
Christian Stöcker wirft in diesem Zusammenhang eine rhetorische Frage auf:
… weltfremd… und verlogen: Jeder Mensch weiß aufgrund seiner Lebenserfahrung, dass
Und hier hat man auch über die Freiheit der Anderen nachdenken:
Es ist interessant, dass die Kontroversen um die Einführung der Gurtpflicht, der neuen deutschen Rechtschreibung und des Rauchverbots in Deutschland in Restaurants etc. zunächst mit gleicher Vehemenz wie die derzeitige Diskussion um Tempolimits und CO₂-Steuer geführt wurden – danach aber jeweils unerwartet gut und mit breitem Konsens angenommen wurden.
Soll heißen, wir sollten uns davon nicht zu sehr beeindrucken lassen, das Ding durchziehen, aber selbstverständlich bei Ökosteuern auf Sozialverträglichkeit in Form von intelligenten Steuern mit Rückvergütungen etc. achten – dann gibt es erwartbar auch keine ‚Gelbwesten‘-Dynamiken.
Und, bei der Gelegenheit: Ich möchte NIE WIEDER den Begriff ‚freiwillige Selbstverpflichtung‘2 hören müssen – dass ist nichts anderes als ein Euphemismus für aufschiebende sowie wirkungs- und folgenlose Lobbyismus-freundliche Parteipolitik, gekoppelt mit der Ausrede, dass
Interessant ist auch, dass – in den Worten von Felix Austen – „die Idee von ‚design or disaster‘ … im ursprünglichen Verständnis von Nachhaltigkeit bereits verwurzelt [ist]. Bei der ersten Nennung des Begriffs Nachhaltigkeit durch Hans Carl von Carlowitz im Jahr 1713 beschreibt der Oberberghauptmann es vereinfacht gesagt als ein Prinzip, nach dem einem Wald nur so viele Bäume entnommen werden sollten, wie im Wald im selben Zeitraum wieder nachwachsen können. Denn nur so kann der Wald seine Bewirtschafter dauerhaft mit Bäumen versorgen… Der konsequente Schluss daraus:
Luisa Neubauer:
„der sich an das Einzige klammert, was im weitesten Sinne klimapolitisch bedeutsam und irgendwo begreifbar ist: Autos und Flugzeuge. (2019a)
Dabei sind die großen Fragen doch ganz andere:
Übrigens ist auch die prioritäre Forderung nach Bildung zur Bewältigung von Biodiversitäts- und Klimakrise ein Ablenkungsmanöver. Bildung ist selbstredend ein hohes Gut und hat selbstverständlich bspw. nach finnischem Vorbild massiv ausgebaut und mit viel, viel Geld gepimpert zu werden. Doch aus dem Munde von konservativen Politiker*innen kommt der Ruf nach Bildung im Zusammenhang mit Klimakrise & Co m.E. allzu oft als Schlüssel zur Lösung der (Klima-)Probleme daher. Dieser ‚Vernunft-Ansatz‘ ist m.E. insofern ein Ablenkungsmanöver, als das wir schlicht keine Zeit mehr haben, auf die Ergebnisse dieser Bildungsoffensive zu warten. Hier geht es also ein weiteres Mal um das ‚Auf die lange Bank schieben‘.
„Maßstab für ein neues Bildungssystem kann nicht ein gemutmaßter Arbeitsmarkt sein, sondern das Ziel, unsere Kinder dazu befähigen, sich in der zukünftigen Welt gut zurechtzufinden.“ (Richard David Precht 2018, 168)
Die seit Sommer/Herbst 2019 in den Diskurs eingeführte aktuellste Nebelkerze der Bundesregierung oder auch: die neue Rückzugslinie lautet: Klimaschutz müsse sozialverträglich sein, niemand dürfe zurückgelassen werden.
Sozialverträglichkeit ist ein hohes Gut. Klimaschutz soll sozialverträglich sein, und das haben wir immer auf dem Schirm zu halten – und richtig ist trotzdem: Die grundlegende Priorität hat logisch eine andere sein: Ohne Klima ist alles nichts, also können ungewünschte Veränderungen und auch – zumindest gemessen am derzeitigen Überfluss – soziale Abstriche erforderlich sein:
Alle Gesetzesvorhaben/Regulierungen/Rechtsverordnungen/Leitplanken haben unter einen Klima- und Zukunftsfähigkeitsvorbehalt gestellt zu werden. Alles andere ist Traumtänzerei. (vgl. S. 484)
Reduziert man das Thema auf „Planet oder Arbeitsplatz?“ entspricht diese Dichotomie „Sein oder nicht sein“. Und auf diese Frage kann es nur eine Antwort geben.
Ich denke: Das Recht auf einen grundlegenden Wohlstand – und nicht etwa eine ‚Bestandsgarantie des Überflusses‘.
„‚So zu tun, als sei Klima eine Sache, die man verhandeln kann, das stimmt einfach nicht. Das ist annähernd leugnerisch’… Klimaschutz müsse stattdessen die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein“ (NDR 2019).
Aber eigentlich, ein wenig mehr in die Zukunft gedacht, ist die Perspektive eine ganz andere:
Um soziale Härten zu vermeiden bedarf es nicht weniger und langsameren Klimaschutz, sondern mehr und schnelleren Klimaschutz:
Möchte da jemand widersprechen?
Sozialverträglichkeit schließt Generationengerechtigkeit ein. Und damit ist die Besitzstandswahrungs-Argumentation der ‚Weiter So‘s sofort vom Tisch.
Zumal nicht einzusehen ist, dass ein Reicher z.B. das Klima weiterhin totfliegt ohne Einschränkung – nur weil er es sich leisten kann.
Kommen wir zu einem weiteren Nebenschauplatz, der es – unwichtig wie er ist – als Ablenkungsmanöver regelmäßig ganz weit auf die vordersten Seiten der Medien schafft:
„So kamen durch die Gluthitze im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh im Jahr 2015 mit Temperaturen bis zu 48 Grad über 1.800 Menschen ums Leben, vor allem in den Elendsvierteln, wo es weder Klimaanlagen noch Schatten spendende Bäume gibt. Wir fanden heraus, dass eine solche Hitzewelle durch den Klimawandel dort etwa doppelt so wahrscheinlich geworden ist“ (Otto 2019, 105).
Ein Zwischengedanke:
„Wir müssen nicht ‚das Klima‘ retten – sondern uns!“ (Eckart von Hirschhausen in Koruhn 2019)
… und da kommt auch niemand, der noch mal eben schnell was erfindet…
Die Party – La Boum – ist vorbei:
Ergo:
Das würde einen ganzen Planeten inkl. Menschheit, Fauna und Flora zu Teilnehmern eines gigantischen Experiments mit ungewissem und potenziell vernichtendem Ausgang machen. „In der Antike nannte man das Hybris. … Wendell Berry nannte es ‚arrogante Ahnungslosigkeit“ (Klein 2015, 326)1.
Mehr möchte ich dazu nicht schreiben.
Obwohl… doch:
Mein derzeitiger Favorit unter all den wunderbaren, faszinierenden Projektideen: Eine Mauer um die Antarktis, damit die Eisberge nicht abbrechen und fort schwimmen können. Denn: Dann schmilzt das Eis auch ganz bestimmt nicht. Ich bin dabei! Gleich Morgen steig‘ ich in einen Fischkutter und bringe mal eben auf einen Sprung das Baumaterial für 17.968 Kilometer Küstenlinie da hin. Ein Klacks.