„Paradoxon: Um ein Problem verdrängen zu können, ist es nötig seine Existenz und seine moralischen Verwicklungen bis zu einem gewissen Grad anzuerkennen.“
Stanley Cohen, Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger (1922-2020), zit. in Folkers/Paech 2020, 66
Abgesehen davon, dass wir es wohl alle bevorzugen würden, dass die Sache nicht so brisant wäre, gibt es natürlich auch noch Menschen, die sich dem Thema ‚Klimakrise‘ bzw. ‚Artensterben‘ total verweigern: Ihnen begegnet man auch im Jahre 2020 immer wieder auf Partys oder bei Diskussionen… wie damit umgehen?
- Weigern Sie sich, über das ‚ob‘ zu diskutieren – das Thema ist ‚durch‘. Verweisen Sie einfach darauf, dass die/der Gesprächspartner*in offensichtlich nicht Up to Date ist:
- „Ouih, ich fürchte da bist Du aber so gar nicht auf dem aktuellen Stand. Mach Dich mal schlau.“
- „Von den in den Parlamenten sitzenden Parteien vertritt in Deutschland nur noch eine diese Position.“
- Bei Behauptungen des Gegenübers kann es hilfreich sein, nach dessen Quelle zu fragen – bitten Sie sie/ihn zu erzählen, wo sie/er die Information erhalten hat.
- Bei zu allgemeinen Aussagen können Sie gezielter nachfragen und Präzision einfordern.
- Wichtig ist, rhetorische rote-[bzw. grüne-]Socken-Ablenkungen à la „Das ist Sozialismus“ als solche zu benennen und dann wieder zum eigentlichen Thema zurück zu kehren.
- Setzen Sie die Themen. Geben Sie den Themen Ihres politischen Gegners keinen Raum. Gehen Sie davon aus, das Themen an Gewicht gewinnen, je ausführlicher sie behandelt werden (vgl. S. 191), was nicht bedeutet, dass Sie Menschen ‚dichtquatschen‘ sollen – nur ist es hilfreich, wenn die Proportionen von Themen/Argumenten stimmen.
>> siehe auch:
Schleichert, Hubert (1997): Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren. Anleitung zum subversiven Denken. Beck.
- Eine ‚radikale Höflichkeit‘ kann hier hilfreich sein (vgl. Kleiner Fünf 2020). Das meint: Respektvoll sein, aber proaktiv Grenzen setzen… „Andere ernst nehmen, nicht provozieren lassen, gezielt nachhaken, konkret werden. Vielfalt anerkennen und klar machen, wenn dein Gegenüber sich wie ein Arschloch verhält“ (ebd., erstes Video von oben.)
Bitte haben Sie kurzzeitig (d.h. vorübergehend) Verständnis für ältere Menschen: Sie wurden in eine Welt hineingeboren, in der
- es nur 1/3 der jetzigen Weltbevölkerung – hier wird der Unterschied zwischen der ‚leeren Welt‘ und der ‚vollen Welt‘ offenbar (vgl. Weizsäcker u. Wijkman 2019, 110f.), die komplett unterschiedlich sind
- es in Relation wenig Konsumismus gegeben hat und
- ‚Fortschritt‘ und ‚Wachstum‘ noch Versprechen waren.
Da kann es dann schon mal schwerfallen, einzusehen, dass das jahrzehntelang als sicher geglaubte Wissen sich nunmehr als Lebenslüge, die zur Zerstörung des Planeten führen wird bzw. kann, entpuppt.
Unser Wirtschaftssystem funktioniert. Nicht.
Beleg: jede Seite dieses Handbuches.
Machen wir uns auch klar, dass es schmerzvoll sein kann, anzuerkennen, dass das eigene gelebte Leben das Leben der eigenen Nachkommen und allgemeiner das Leben künftiger Generationen beeinträchtigt oder gar verunmöglichen könnte.
Gleichzeitig reden wir hier aber tatsächlich auch über die Generationen, die durch ihr Leben und die von ihnen mit verantworteten Entwicklungen bzw. Entscheidungen massiv zur heutigen Situation beigetragen haben.
(Das trifft natürlich mehr oder weniger auch auf alle Menschen 30+ zu.)
Denn:
„Wir haben’s nicht gewusst“ ist ein Satz, der noch nie gegolten hat, wenn man etwas, was man bei genauerem Hinsehen wissen könnte, nicht wahrhaben wollte.1
- Spätestens seit der Veröffentlichung von The Limits to Growth (Die Grenzen des Wachstums) durch den Club of Rome im Jahre 1972 konnte jeder Mensch der westliche Industrienationen wissen, dass
- die planetaren Grenzen definitiv endlich sind
- somit die Wirtschaftswachstumsdoktrin falsch sowie das HöherSchnellerWeiter-Leben auf Dauer nicht machbar ist und massiv auf Kosten der eigenen Kinder, Enkel*innen und Urenkel*innen geht (vgl. Club of Rome 1972).
Die Rechnung für Deine Kreuzfahrt zahlen Deine Enkel*innen.
Alex King, Club of Rome, Pressekonferenz 1972:
- „Wir stehen kurz vor dem Ende einer gesellschaftlichen Entwicklung, die etwa 2.000 Jahre andauerte. Wir haben ein Maß an Wohlstand erreicht,2 das den Keim der Zerstörung in sich trägt. Daher brauchen wir einen völlig neuen Blick auf unsere Welt“ (zit. in Opitz 2018, ca. Min 14).
Das ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten.
Der Bericht „schreckt[e] die Menschen auf, einerseits. Doch schnell werden die Wissenschaftler angefeindet, ihre Berechnungen als unverantwortliche Schwarzmalerei angezweifelt – weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ (Opitz 2018, Min 14).
Hierzu kommentiert Ende 2019 die taz – bezogen auf den wachstumsorientierten und deshalb kritisierten 1-Billion-Euro-EU-Kommissions-Plan European Green Deal3:
- „Es geht… eigentlich darum, den Kollaps der Ökosphäre zu verhindern. In dessen Folge Millionen, vielleicht Hunderte Millionen Menschen sterben könnten, weil wir Jetztmenschen ihnen [innerhalb von zwei Generationen] die Lebensgrundlagen weggeflogen, weggefahren und weggefressen haben“ (Arzt 2019, 1).
In der Konsequenz dieses Gedankenganges rege ich an, die älteren Menschen recht deutlich an das daraus resultierende Handlungsgebot zu erinnern, für die jüngeren Generationen wählen zu gehen.
Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass es aufgrund des Pillenknicks und den Babyboomern viel mehr ältere Menschen gibt als jüngere. Rezo hält dazu fest:
- „Die größte Wahlmacht haben die Alten. Allein die über 70-jährigen – also nur ein bestimmter Teil der Rentner – haben anderthalbmal so viel Stimmen wie alle unter 30-jährigen. Die Rentner entscheiden also mehr über unsere Zukunft, obwohl sie diese Zukunft gar nicht mehr miterleben werden“ (2019).
- Hier ist die Frage aufzuwerfen und zu diskutieren, ob angesichts der eklatanten Ungleichverteilung von Stimmrechten in den Generationen das Wahlrecht gewichtet werden sollte – sodass jede Generation – oder jeder Jahrgang – die gleiche Wahlmacht erhält. Ich persönlich habe jedoch einige Bauchschmerzen damit, ein einfaches und aufgrund dieser Einfachheit und Grundsätzlichkeit auch schwerlich manipulierbares Prinzip aufzugeben: Das sollte nicht leichtfertig erfolgen und i.d.R. unterbleiben.
- Es ist indes nicht einzusehen, dass Kinder kein Stimmrecht haben – in jungen Jahren könnten die Eltern dieses Wahlrecht wahrnehmen – aber ab einem bestimmten Alter können Kinder durchaus eigenständig eine Entscheidung in der Wahlkabine treffen. Hiermit wäre zumindest das Prinzip „Eine Stimme pro wahlberechtigter/m Bürger*in“ universaler als „Eine Stimme pro Mensch“ in seiner Einfachheit erhalten und insgesamt ein besonderer, wünschenswerter Fokus auf Familien bzw. Kinder gelegt – und Generationengerechtigkeit relativ leicht ein gutes Stück hergestellt.
- Möglicherweise würde diese Art der Partizipation auch ein erweitertes Interesse an demokratischen Prozessen wecken können – auf jeden Fall würden sich unsere jüngeren Mitbürger*innen vermehrt ernst- und wahrgenommen fühlen. Dies entspricht dem Trend, den wir von Eltern-Lehrer*innen-Kind-Gesprächen etc. und von der Selbstermächtigung des Fridays for Future-Aufbruchs kennen.
- Hier ist die Frage aufzuwerfen und zu diskutieren, ob angesichts der eklatanten Ungleichverteilung von Stimmrechten in den Generationen das Wahlrecht gewichtet werden sollte – sodass jede Generation – oder jeder Jahrgang – die gleiche Wahlmacht erhält. Ich persönlich habe jedoch einige Bauchschmerzen damit, ein einfaches und aufgrund dieser Einfachheit und Grundsätzlichkeit auch schwerlich manipulierbares Prinzip aufzugeben: Das sollte nicht leichtfertig erfolgen und i.d.R. unterbleiben.
„Wer die Erderwärmung leugnet, ist der eigentliche Feind der Freiheit.“
Naomi Oreskes, Harvard-Wissenschaftshistorikerin, 2014
>> weitere Gedanken zu ‚Ökodiktatur‘ siehe Aspekt Das Bonmot von den Verboten, S. 235.
>> Älteren Menschen, die sich in die Situation junger Menschen nicht einfühlen können, empfiehlt die ARD-Satire-Sendung Kroymann in ihrer Sendung vom 28.1.2021 (ab Min 16:33) das Medikament „Empathie forte“: https://www.daserste.de/unterhaltung/comedy-satire/comedy-satire/videos/kroymann-video-142.html (Abrufdatum 21.2.2021)
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